Die Blutegeltherapie gehört zu den sogenannten ausleitenden Heilverfahren. Hierbei steht die Beseitigung von lokalen Fülle-, Stauungs- und Schmerzzuständen aufgrund eines Blut - und Lymphödems im Vordergrund. Bereits im alten im Ägypten wurde der medizinische Blutegel erfolgreich eingesetzt.
Der Blutegel (Hirudo medicinalis) ist mit dem Regenwurm verwandt, der zur Familie der Ringelwürmer zählt. Blutegel werden speziell für medizinische Zwecke steril gezüchtet und unterliegt strengen Qualitätskontrollen.
Der Therapieablauf
Nach der Anamnese und körperlichen Untersuchung der zu behandelnden Stelle werden die oder der Egel auf das Hautareal aufgetragen. In einer Sitzung werden maximal 6 Blutegel angesetzt.
Damit der Egel nicht lange suchen muss und nur im gewünschten Bereich anbeißt, wird ein Glas über den Egel gestülpt. Hat der Egel eine ihm angenehme Stelle gefunden, stelle er seinen Rüssel auf, verschafft sich mit seinen 80 Zähnchen Zugang in die Haut und gibt seinen Speichel in die Öffnung. Einmal angebissen wandert der Egel nicht mehr sondern verbleibt bis zum Ende des Trinkvorgangs an derselben Stelle, lediglich der Schwanz kann neu positioniert werden.
Der Biss in die Haut ist häufig nicht unangenehmer als ein Mückenstich oder Spritzenstich und wird schon nach kurzer Zeit nicht mehr wahrgenommen. Während des gesamten Saugvorganges gibt der Egel nun sein Speichelsekret ab. Es enthält schmerzlindernde, blutverdünnende, krampflösende und entzündungshemmende Eigenschaften. Mehr als 20 verschiedene Enzymkomplexe (Hauptbestandteil sind Hirudin und Eglin)in einer Dosis von ca. 1,2mg pro Egel werden in die Wunde injiziert. Der Saugvorgang kann zwischen 30-90 min andauern da der Egel während des Saugens auch gelegentlich einschlafen kann. Ist der Egel satt, fällt er in der Regel von allein ab und hinterlässt eine stark nachblutende Wunde. Bei einigen Medikamenten wie Blutdrucksenker oder Cholesterinsenker kann die Blutungsintensität variieren.
Dieses Nachbluten ist ausdrücklich erwünscht es reinigt die Wunde, erhöht die Wirksamkeit der Therapie und kann zwischen 12-24h andauern.
Die durch den Biss entstandene Wunde verheilt in der Regel in ein bis drei Wochen komplikationslos.
Die Wunde wird mit einem sterilen Verband versorgt und sollte auch nach einem erneuten Verbandswechsel nicht abgedrückt oder komprimiert werden bis sich eine Kruste gebildet hat. Danach reicht ein wasserdichtes Pflaster, welches bei Bedarf gewechselt werden kann, aus. Während der Krustenbildung tritt häufig ein starker Juckreiz auf dieser kann, mit Fenestilsalben lokal oder einem Antihistaminikum oral angewendet, unterbunden werden. Es ist jedoch unumgänglich darauf zu achten, den Wundverschluss auch bei heftigerem Juckreiz nicht mit den Fingern oder anderen Gegenstände aufzukratzen, da es sonst zu einer sehr unangenehmen Wundinfektion kommen kann. Eine entsprechende Wundversorgung ist daher notwendig.
Daher empfiehlt sich ein Blick in den Erste-Hilfe-Schrank um genügend Material vorrätig zu halten. Andernfalls sollten Sie in Ihrer Apotheke des Vertrauens für Nachschub sorgen.
Anwendungsmöglichkeiten
Hauptindikationen:
Erkrankungen des Bewegungsapparats:
schmerzhafte Gelenkarthrosen, v.a. Kniegelenkarthrosen, Daumensattelgelenkarthrosen, Sprunggelenkarthrosen, rheumatische Erkrankungen, schmerzhafte Erkrankung der
Wirbelkörper
Venöse Erkrankungen:
akute Thrombophlebitis (Venenentzündung), variköser Symptomenkomplex, post-thrombotisches
Syndrom (mit begleitenden Stauungsschmerzen)
Sonstige Indikationen:
Herpes Zoster (Gürtelrose), akute und chronische Otitis media (Mittelohrentzündung), arterielle Hypertonie bei erhöhtem Hämatokrit, Hämorrhoidal- Syndrom und (Peri-) Analthrombose, akuter Gichtanfall, akute und chronische Osteomyelitis, Hämochromatose (als Aderlass), Wundheilungsstörungen durch postoperativen Lymph- und venösen Rückstau in der Traumatologie (z.B. Handchirurgie) und plastischen Chirurgie.
Kontraindikationen: (Wann darf eine Blutegeltherapie nicht durchgeführt werden)
>Hämorrhagische Diathesen bzw. Hämophilie ("Bluterkrankheit"), sowie Blutgerinnungsstörungen durch Medikamente (z.B. Marcumar®, >Falithrom®, Comadin®) oder verminderten Blut-plättchen (Thrombozytopenie) u.a.
>Hauterkrankungen an der Applikationsstelle
>Akute Magen- oder Darmgeschwüre
>Deutliche Blutarmut (Anämie, Hb unter 10 g/dl)
>Erheblicher Immunschwäche (AIDS, Chemotherapie, etc.)
>Schwere chronische Erkrankungen (Krebserkrankungen im fort-geschrittenen Stadium
>langjährige Dialyse bei Nierenerkrankungen, etc.)
>Fortgeschrittene periphere Gefäßerkrankungen (PAVK ab Stadium III)
>Ausgeprägten Wundheilungsstörungen (z.B. bei schlecht eingestelltem Diabetes mellitus, erheblichem Übergewicht, etc.)
>Bekannte Allergien gegen Blutegel-Inhaltsstoffe (Hirudin, Histamin, etc.)
Relative Kontraindikationen und Vorsichtsmaßnahmen:
>Bei Neigung zu überschießender Narbenbildung (Keloidbildung) keine Anwendung an gut sichtbaren Körperstellen
>Aspirin® sollte 5-10 Tage vor einer Behandlung nach Rücksprache mit dem Arzt nicht eingenommen werden.
Ist die Blutegeltherapie schmerzhaft, gibt es Nebenwirkungen?
Der Biss eines Blutegels ist nicht sonderlich schmerzhaft. Allenfalls werden die Bisse wie "Brennesselstiche", Insektenstiche, leichtes Ziehen oder als "Spritzeneinstich" beschrieben. Das ist auch logisch, denn der kleine Sauger hat in der freien Natur wenig Interesse daran bemerkt und abgeschüttelt zu werden.
Der Blutegelspeichel enthält einen einzigartigen Wirkstoffcocktail aus ca. 30 verschiedenen Substanzen (u.a. Hirudin, Calin, Hyaluronidase, Eglin, Bdellin, Apyrase, Kollagenase, Destabilase, Hämentin, Orgelase) von denen allein eine histaminähnliche Substanz im weiteren Verlauf zu einem leichten "Heiljucken" wie bei einem "Mückenstich" führen kann.
Mögliche seltene Nebenwirkung und Komplikationen:
>Ausgeprägte Blutung (verlängerte und starke Nachblutung)
>Juckende Hautrötung um die Bissstellen (allergisch oder allergie-ähnlich)
>Wundinfektion (z.B. Erysipel)
>Vorübergehender Gelenkerguss, lokale Schwellung, oder regionale
Lymphknotenschwellung.
>Pigmentstörungen, Vernarbungen an der Bissstelle, kleine Papel an der Bissstelle
Bei eventuell auftreten Nebenwirkungen oder Komplikationen wenden Sie sich bitte immer zuerst an Ihren behandelnden Therapeuten.